… des Königs Senfte oder doch eher the King of the Road?
Alles hat mal wieder damit angefangen das ich meine Klappe nicht halten konnte und nur mal so nebenher bemerkte das wir schon lange keine Probefahrten mit ner Harley gemacht haben. Als dann recht schnell die Zustimmung meines Kumpel kam wollte ich noch ein wenig beschwichten, frei nach dem Motto… nicht wieder ne Sportster wenn schon dann son Dickschiff… dumm nur wenn alles so auf die sprichwörtliche verbale „Goldwaage“ gelegt wird.
Am gleichen Abend dann die email mit der Aufforderung sich schnell zu einem Termin zu entscheiden und ja nicht abzusagen… Also Termin 10.06.16, Uhrzeit 1400 bis 1800, Ort Bonn, Start-/Benzingeld 20€, Probefahrdauer satte 3Stunden incl. Tourguide und kleinem Willkommensgeschenk – ein T-Shirt nach Wunsch aus dem aktuellen Merchendisingangebot, Anreise standesgemäß mit dem eigenen Motorrad… mir bleib natürlich nichts anders über als mein ok zu geben. Kurze Zeit später poppte dann auch die email mit dem gebuchten Ticket auf… Harley Davidson Bonn – Deine Grand-Touring-Erlebnisfahrt – Du bist dabei.…auf was hatte ich mich da nur eingelassen?
Ein paar Tage vergingen und der Termin rückte so langsam näher als eine nette Erinnerungsmail eintraf: Lieber Freund, danke für deine Anmeldung. Am Freitag 10.Juni…kannst du mit den legendären Tourern durchstarten. Wieder ein paar Tage später dann wieder eine Mail: Lieber Freund in 2 Tagen erfährst du, wie es ist, mit einem legendären Tourer die Welt unter die Räder zu nehmen. …. wichtige Infos usw…. Hmmm…ob die wohl Angst haben das ichs mir noch mal überlege? Nix da deal ist deal und Ehre ist Ehre.
Freitag 10.Juni: Die Anfahrt nach Bonn ging dann trotz Berufsverkehr noch einigermaßen locker und es blieb für uns sogar noch Zeit für einen kleinen Snak am benachbarten Burgerstand, der allerdings den Begriff „Fastfood“ nicht wirklich erfunden hat. Pünktlich dann um 14Uhr die 20m rüber gerollt und von den allesamt gut gelaunten und freundlichen Mitarbeitern incl. unserem Tourguide empfangen worden. Kurz die Formalitäten erledigt und schon durften wir uns für eines der insgesamt 8 zur Probefahrt bereit stehenden Modelle entscheiden, welche dann auch schnell alle besetzt waren. Meine Begleitung entschied sich dank seiner Sozia zur „FLHTK Electra Glide“ – liebevoll auch Zylonentanker getauft, meine Wahl fiel etwas bescheidener auf die „Road King“ in schickem silber. Beide Maschinen waren in vollem Ornat angetreten, also mit allem modernen Schnickschnack den es so gibt… ABS, Keyless System, automatische Blinkerrückstellung uvm. natürlich durften die obligatorischen Koffer nicht fehlen.
Nach kurzer Einweisung am Bike und zur Tour ging es dann auch schon los… Motor an…oh..nettes Bollern und angenehme Vibrationen. Ein Blick nach rechts auf die 2.King im Bunde ließ mich mal nach links unten auf das seltsame Chromteil schauen…oh je wackel das Teil …hoffentlich bleibt es da wo es hin gehört. Durch empierische Versuche… Betätigung aller Schalter und Knöppe zur Funktionskontrolle (rausfinden was wo für ist), war dann recht schnell klar das dass Wackeldings die Hupe war. Für den Anfang entschied ich mich hinter den Zyklonentanker einzuordnen. Der Anblick war allerdings etwas ungewohnt. Wo sonst 2 Hornets Ihren Dienst tuen, ragte nun ein Berg an Maschine vor einem auf incl. einer zierlichen ziehmlich skeptischen Sozia im Sport-Lederkombi hinten drauf (Fürs Protokoll: Chickas mit Hotpands und VA Stöckel Pömps waren leider an dem Tag nicht für eine Tour zu begeistern). Die ersten Meter rollten dann ein wenig wackelig aber recht unspektakulär bis zum Bonnerverteiler , einzig die Fußrasten waren nicht dort wo sie gewohnt zu sein sollten.
Jaja… Bonner Berufsverkehr…ganz großes Kino aber irgendwie haben es dann doch alle geschafft so schnell wie möglich zur Autobahn und Richtung Westerwald zu kommen. Nach 1-2 Abfahrten gings dann auch schon wieder runter. So langam gewöhne ich mich an die ungewohnte Sitzhaltung… Füße weit nach vorne, Arme ungewohnt hoch… ja fast in Kopfhöhe und ein Windschild das seinem Namen alle Ehre macht. Der Sitzkomfort war mal erstklassig, die gut gepolsterte Sitzmulde ließ keine wünsche offen, allerding verleitet dies doch wie in jedem bequemen Sessel dazu sich ein wenig hängen zu lassen so das sich,zumindest bei mir recht schnell der Rücken in Erinnerung ruft und eine etwas aufrechtere Sitzposition fordert. Bei langsamer Fahrt verspührt man recht schnell die stetig steigenden (Ab)Wärme der luftgekühlten Zylinder unter der luftigen Bikerjeans welches zwangsläufig zu einer offen Sitzhaltung führt. Auffällig waren dann auch noch die Fußrasten oder besser gesagt Fußbretter oder wie man sie auch nennen mag… die Teile vermitteln ein Gefühl wie barfuß auf einem Kissen zu ruhen. Gerade so ein bisschen an des Fahr- und Kurvengefühl gewöhnt war dann auch schon Pause im Bikers-Rast in Dattenfeld angesagt. (Kleiner Tipp für Dickschifffahrer – rückwärts einparken). Eine genauere Betrachtung der Fußablagen brachte dann die Erkenntnis das diese tatsächlich mit einem recht dicken und weich gefederten Gummi ausgestattet sind. Nach einer halben Stunde bei Kaffee und Kuchen wurde dann die Runde wieder aufgenommen.
Nach kurzem neu sortieren der Truppe ging es dann wieder zurück Richtung Bonn. Ein Hochgenuss war hier das wundervolle dahingleiten im Siegtal, das durchaus auch mal ein bischen mehr Tempo erlaubte und mit heftigen grollen des Motors belohnt wurde. Das Triebwerk der Roard King hat schon was an sich. Nicht nur die satten 1,69L Hubraum auch das sanfte Ansprechverhalten, angenehme Vibrieren und wen wunderts der Durchzug aus dem Drehzahlkeller sind ein echtes Vergnügen und sorgen für ein durchaus schaltfaules daherrollen. Das Schalten der Getriebeinheit ist dann ein Akt für sich, ein mechanisch vom gröbsten ausgelegtes Aggregat das durchweg die Schaltvorgänge mit einem unüberhörbaren Einrastgeräusch bestätigt. Hier wurde auch erwartungsgemäß durch die Entwickler nicht wie bei Sportgetrieben üblich, auf leicht und schnell schalten hin gearbeitet, sondern der Gang will getreten ähm gebeten werden seine neue Position ein zu nehmen. In Zusammenspiel mit der gut dosierbaren Kupplung, welche auch für Europäische Männerhände gut zu bedienen ist, bring ein einfacher Schaltvorgang – ähnlich dem Schuss des Wilderers- schon das Gefühl etwas verbotenes zu tuen und sorgt unweigerlich für Aufsehen bei Passanten und sonstigen Zaungästen in Ihren Bürgerkäfigen. Fahrgefühl und Sitzkompfort lassen dann auch wieder den Beinamen „King“ in Erinnerung kommen, man fühlt sich halt souverän und über das Umfeld des restlichen Straßenverkehrs erhaben.
Wo Licht ist da fällt allerdings auch Schatten, mal ganz abgesehen von dem schnuckeligen Gewicht, „fahrfertig“ knapp 371kg die man nun mal nicht weg diskutieren kann, sind es einige Kleinigkeiten wie nerviges rappeln eines nicht zu definierenden Plastik Teils das anscheinen nicht richtig eingepasst ist, Anzeigeleuchten unterhalb des auf dem Tank angebrachten Tachos – wenigstens die Leuchten hätte ich ins Blickfeld gerückt. Schaltung nicht wirklich feinfühlig aber hat was, nur der Sinn der Schaltwippe hat sich mir nicht ganz erschlossen, ist vielleicht einfach nur gewöhnungssache.
Boden-/ Schräglagenfreiheit… ähm ja… ein bisschen mehr währe vielleicht fürs Gewissen des ein oder anderen Fahrers zuträglicher. Meinem gewohnten Fahrstil passt der Chrom- und Metallüberschuss in Bodennähe wohl nicht ganz.
Also alles in allem nichts tragisches.
Die Qualität der verbauten Teile erweist sich als durchaus optisch und haptisch solide und ausreichend massiv um die Vibrationen des Triebwerks weg zu stecken… bis auf besagte Hupe, die wird warscheinlich auf kurz oder lang ihren angestammten Platz in den Schwenkbereich der Verkabelung verlagern. Schalter und Armaturen erfüllen einen gehobenen Standard in einer Mischung aus Kunststoff- und Metallwippschaltern. Der extra große Tacho tront erhaben auf dem Spritfass, untermalt von einer schmalen LED Anzeigeleiste, die wie schon beschreiben irgendwo oben besser aufgehoben und auch sichtbarer währe. Als absolutes Highlight für mich war aber der links angebrachte „Tankverschluss“ mit integrierter analoger Tankanzeige… classischer gehts kaum.
Nochmal ein fettes DANKE an das Team von Harley-Davidson Bonn und besonders an Georg dem coolen Tourguide für die klasse Runde.
Fazit der kleinen Proberunde:
Mythos Harley Davidson…Fahrgefühl…Lebensart… nun dies wird sicher nur jemand erklären und erfahren können der solch ein amerikanisches Kulturgut lieben sowie auch hassen gelernt hat und denn noch treu bleibt. Mir hat es gefallen und ja wenn denn irgend wann einmal die Haushaltskasse gut gefüllt, unbeobachtet in der Ecke steht und mich der Sinn nach was Veränderung plagt… ja dann könnte mal wieder was neues her. Eine Road King wird es allerdings nicht, dazu ist einfach der Funke nicht stark genug über gespungen… aber etwas sportlicher, mit max.1200ccm und universeller allwetter Bereifung… ja dafür könnte mal ein wenig Platz neben dem japanichen Caferacer sein.
… des Königs Senfte oder doch eher the King of the Road?
Jein oder eher gesagt von Beidem etwas.
Die Essenz aus der Geschichte ist: Nix für Pappa… also weiter schauen und die ein oder andere Probefahrt genießen.
Info und Technische Daten zur Road King